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Twitter, Natel und PostPac?

Mitarbeitende des ehemaligen Bundesbetriebs PTT (Post, Telefon, Telegraf) erzählen aus ihrem vergangenen, bis heute nachwirkenden Berufsalltag.

Diese Website wird nicht mehr aktualisiert. Neue Inhalte aus dem Bereich Oral History finden Sie ab 2024 auf dem Onlineportal des PTT-Archivs.


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WIR,
DIE PTT

Mitarbeitende des ehemaligen Bundesbetriebs PTT (Post, Telefon, Telegraf) erzählen aus ihrem vergangenen, bis heute nachwirkenden Berufsalltag.

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Radiopiraterie – Von der aufregenden Illegalität zum Kommerz

Die Abteilung Funküberwachung der Post-, Telefon- und Telegraphen-Betriebe (PTT) spürten bis Mitte der 1980er Jahre illegale Radiosender auf. Die Radiopiratinnen und Piraten sendeten auf den freien UKW-Frequenzen ihre eigenen Inhalte und Musik, die ihnen gefiel – solche, die die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) nicht ausstrahlte.

Die SRG war und ist der politischen Neutralität verpflichtet: In den 1970er Jahren folgte sie allerdings einem tendenziell konservativen Bildungsideal und musikalisch gab es vor allem Jodel, Kirchenmusik oder Schlager zu hören. Währenddessen erlebte die internationale Musik ab den 1950er Jahren und besonders in den 1980ern eine richtiggehende Revolution mit Rock, Punk und Pop. Besonders junge Menschen verfolgten die vielen Bands und die grossen Rockstars mit Begeisterung.


Einige junge Menschen machten sich daran, die Musik, die sie an Konzerten und mit dem Erwerb von Schalplatten genossen, über ihre eigenen Radiosender zu teilen. Mit einem kleinen Sender erreichten die illegalen Radioproduzenten direkt ein grosses Publikum. Die Leute konnten mit ihren herkömmlichen Radioempfangsgeräten zuhause oder im Auto auf die im Vorfeld bekanntgegebenen Frequenzen umschalten und den Programmen der Piratinnen und Piraten lauschen. Gerade die Jungen begeisterten sich sofort für die neue Musik und die witzigen Gesprächsformate.


Auf den legalen Empfangsgeräten mussten die interessierten Hörerinnen lediglich die Empfangsfrequenz wechseln – und da waren die Piratinnen und Piraten schon zu hören. Deren Geräte, die Sender wurden ohne Konzessionen erworben und in Handarbeit zu kleinen, portablen UKW-Sendestationen zusammengebaut. Man arbeitete mit Autobatterien – Bekanntschaften zu Mitarbeitenden der Zürcher Verkehrsbetriebe VBZ brachten sogar ausrangierte, aber noch immer leistungsstärkere Busbatterien ein –, mit Sendegeräten in Guetzli-Schachteln und tragbaren Antennen. Die Piratinnen nahmen ihr Programm auf Kassetten auf, machten sich darauf auf den Weg zu einem erhöhten Aussichtspunkt und sendeten von dort über die Stadt.

Radiosender von Radiopirat:innen

Es handelt sich um einen UKW-Sender mit Tonbandgerät, der als Tarnung in eine Biscuit-Schachtel verbaut wurde, mit Kippschalter für manuellen/automatischen Betrieb, Antennenanschlussbuchse sowie mit Klammern für den Anschluss an eine Autobatterie. Quelle: Museum für Kommunikation, Bern, 9801 A 0016.

Wer in den Schweizer Lüften Funkverkehr und Radioanlagen betreiben durfte, stand seit den 1930er Jahren klar fest: Allein die PTT unterhielt Sendeanlagen, damit in der ganzen Schweiz die mediale Versorgung durch die Schweizerische Rundfunkgesellschaft (SRG) gewährleistet war. Den Funkäther stand unter ihrer Überwachung: Störsender mussten ausgehoben werden – und genau dafür waren die Funküberwacher der PTT zuständig.


«Mit aller Gewalt gegen die Piraten»

In Kooperation mit dem Militär wurde die Abteilung in den 1950er Jahren aufgebaut. Wegen der militärischen Bedeutung von Funk respektive Radio-Kommunikation hatte das Militär einige Radiospezialisten. Briefwechsel zwischen der PTT-Funküberwachung und den Zuständigen Stellen des Eidgenössischen Militärdepartements (EMD) bezeugen einen intensiven Austausch.


Mit diesem Know-How verfolgte die PTT fortan Schwarzsender. Schwarzsender waren Funksender, die ohne Konzessionen, das heisst ohne Bewilligung, sendeten und damit gegen die Gesetzgebung, gegen das eidgenössische Radioregal verstiessen. Funkamateure, die mit nicht-registrierten oder nicht-zugelassenen Sprechfunkgeräten spielten, oder Taxiunternehmen, die statt der fünf zugelassenen sieben Funkgeräte zur Kommunikation nutzten, verfolgten die PTT gleichermassen wie junge Eltern, die bei ihrem Elektrohändler ein Babyphone kauften, dass in der Schweiz nicht zugelassen war. (siehe Blog-Post «Von Babyphons, Funkfahndern und Nachrichtensprechern»)

Peilwagen der Funküberwachung

Die Peilwagen setzte die PTT nicht nur zur Verfolgung der Schwarzsender ein, sondern auch zur Vermessung der Empfangsqualität. Quelle: Museum für Kommunikation, Bern, FFF 11610.

Illegale Radiostationen waren der PTT ein besonderer Dorn im Auge. Ausgehend von ihren Funküberwachungsstandorten, die wie die Sendeinfrastruktur über die ganze Schweiz verteilt waren, starteten sie mit Peilwagen und teilweise in Begleitung der Polizei die Fahndung nach den Pirat:innen. Die PTT stattete ihre Peilwagen mit raffinierten Messgeräten aus, um die Sender möglichst schnell genau orten zu können. Um unbemerkt zu sein, stellte die PTT von Kleinbussen mit einem Empfangsmasten auf dem Dach später auf getarnte Autos um, teilweise sogar Sportwagen.

Doch auch die Pirat:innen waren agil: Bemerkten sie herannahende PTT-Peilwagen, konnten sie ihren Sender abschalten, verstecken und fliehen. Dennoch waren die Hüter des Monopols auch manchmal erfolgreich: «Radio City» konnten sie mehrmals die Geräte entwenden.


Die PTT äusserte sich damals nicht zu den Programminhalten der Piraten. Im Rückblick sagte uns aber der ehemalige Funkfahnder Martin Egold, dass er die Inhalte der Piraten eigentlich ganz gerne hörte. Der gesetzliche Auftrag aber dennoch klar: Die illegalen Sender galt es auszuschalten. Wie die PTT in einer Pressemitteilung verkündete, war das auch eine ernste Sache, bestimmt keine «amüsante Räuber-und-Polizist-Geschichten». Während der «Kampf» gegen die Pirat:innen noch zu Beginn damit erklärt wurde, die Radiofrequenzen für den Kriegsfall freizuhalten, begründete die PTT Ende der 1970er Jahre die Bekämpfung der Piraten damit, dass «Selbstbedienungunweigerlich zum Chaos in unserem […] Äther führen würde.»


«Spassbremse PTT»

Die Radiopiratinnen und Piraten liessen sich nicht beirren. In Zürich waren es die «Wellenhexen», die 1975 als erste wiederholt ihr Programm aussendeten. Nur Frauen waren auf dem Sender zu hören: Sie legten feministische Schwerpunkte, sprachen beispielsweise offen über Menstruation und brachen damit radikal mit gesellschaftlichen Konventionen. Die NZZ schrieb lediglich von «einer Art Plauderstunde […], wobei es vor allem um Frauenprobleme ging». Andererseits gab es auch Radios, die primär an der Verbreitung von Musik interessiert waren.


Für eine kontrollierte Vergabe der Frequenzen und gegen das gesetzliche Monopol der SRG und PTT setzte sich ab 1979 auch Roger Schawinskis Sender «Radio 24» ein. Der umtriebige Journalist nutzte die liberale Radiogesetzgebung Italiens, um auf dem Grenzberg Pizzo Groppera eine leistungsstarke UKW-Sendestation in Richtung Zürich aufzubauen. Die UKW-Wellen erreichten durch eine Schneise in den Alpengipfeln die Limmatstadt – die PTT war machtlos, lag die Sendestation doch nicht in der Schweiz. Schawinskis Sender, der nicht von der PTT ausgehoben werden konnte, erlangte ein grosses Publikum.


Rund um die «Opernhauskrawalle» der 1980er nutzten die Pirat:innen der Jugendbewegung die Popularität von «Radio 24». Zwar war Schawinskis Sender ausreichend stark, um über die Alpen zu gelangen und in Zürich gut hörbar zu sein – wer aber in der Stadt sendete, konnte das Signal überbieten. Aktivistische Radios wussten rund um die Opernhaus Krawalle im Sommer 1980 genau, dass einige Stadtbewohnerinnen das seichte Programm «Radio 24» genossen, als sie auf dem populären Sender aus Italien ihre eigenen Sendungen auf anderen Frequenzen ankündeten. Während gemeinsamen Nachtessen entstanden die kreativen und lockeren Sendungen von «Radio Banana»: Plauschige Plaudereien, politische Gedanken zu den Forderungen rund um Freiräume und Alternativen zum grauen Zürich der 1970er Jahren waren ebenso Inhalt dieser kurzen Radiofeatures wie die neuste Musik. Die Aufnahme der Tonbänder, der Schnitt machten Spass und waren eine verbindende politische Arbeit, die neben der Vielzahl von Zeitschriften und Magazinen ein wichtiges Element des Kulturguts der Jugendbewegung ausmachte.


Der politische Druck, der von den Hörerinnen und Hörer von «Radio 24» ausging, bereitete den Weg in die Liberalisierung. Nach langem einigem Hin und Her zwischen Italiens Postminister und dem Bundesrat, nach mehrmaligem Abschalten der Sendeanlage auf dem Pizzo Groppera durch die italienischen Behörden und grossen Protesten in Zürich und im italienischen Sendestudio am Fusse der alpinen Sendeanlage ging die Schweiz Lockerungen der Gesetzgebung an. Die Liberalisierung ermöglichte, dass Privatradios Konzessionen beziehen und legal senden konnten – die SRG reagierte mit dem poppigen Sendeprogramm von DRS 3, um einen Teil des abwandernden Publikums zurückzugewinnen. Die kommerziellen Privatradios finanzierten sich durch Werbung. Nur wenige davon überlebten längerfristig. Die kleinen, primär aktivistischen Sender gingen mehrheitlich ein, das Züricher Lokalradio «Radio LoRa» ist aber ein fortlebender Zeuge aus dieser Zeit.


Teile dieses Textes erschienen ursprünglich auf dem Blog des Museums für Kommunikation.

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Christoph Schuler:

Ein Sender, so gross wie ein Tonbandgerät – und zack, da konnte man senden.

Radiopiraten

Die Öffnung der Kaderlaufbahn für Frauen

1971 beschliesst die Generaldirektion die Öffnung der Kaderlaufbahn für Frauen. Damit nimmt die PTT einen ersten Schritt in Richtung Gleichstellung von Mann und Frau. Der Weg dorthin ist aber alles andere als leicht.

Bis in die 1970er Jahre besitzen Männer ein praktisch unangefochtenes Monopol auf den meisten Berufsfelder der PTT. Nur wenige Sparten überlässt man(n) Frauen. Die Arbeit der Telefonistin oder später der Codiererin verrichten ausschliesslich Frauen. Diese Berufsfelder bieten aber kaum Aufstiegsmöglichkeiten. Zudem gilt: Weibliche Angestellte müssen bei der Heirat ihre Tätigkeit aufgegeben. Nur in Ausnahmefällen arbeiten Frauen mit der Einwilligung ihrer Ehemänner weiter.

In Zeiten wirtschaftlicher Krisen gerät die berufsspezifische Geschlechtertrennung jedoch ins Wanken. Weil die Männer in den beiden Weltkriegen für den Aktivdienst mobilisiert werden, übernehmen Frauen ihre Tätigkeiten. Für die meisten Frauen bleibt die Anstellung aber temporär, denn die Männer drängen nach der Mobilmachung auf ihre Posten zurück.

Formular zur Ermächtigung und Verpflichtung zugunsten Minderjähriger, 1919

Im Jahr 1919 erlaubt ein Ehemann seiner Frau den Dienst bei der Post anzutreten. Das Formular ist ursprünglich für die Einstellung von Minderjährigen gedacht.

Mitte der 1960er Jahre mangelt es in der ganzen Schweiz an Arbeitskräften. In den Städten spitzt sich die Lage für die PTT besonders zu, weil private Unternehmen mit höheren Löhnen als Arbeitgeber konkurrieren. Die PTT setzt deshalb vermehrt auf Arbeiterinnen, auch in Diensten, die bisher den Männern vorbehalten waren. Bei diesen stösst das Vorgehen allerdings auf Widerstand. Familienväter fürchten die Konkurrenz von jungen ledigen Frauen, die keine Familie zu versorgen haben, und auch die Gewerkschaften plädieren dafür, Frauen nur vorübergehend einzustellen. Wo beide Geschlechter aufeinandertreffen, kommt es zu Konflikten. Personalvertreter schlagen deshalb vor, dass Frauen die ganz simplen Arbeiten übernehmen, damit männliche Arbeitskräfte für qualifiziertere Arbeiten eingesetzt werden können. Statt zur Konkurrenz zu werden, soll eine geschlechterspezifische Arbeitsteilung fortgeführt werden. Der Personalmangel hält jedoch an, auch aufgrund der restriktiven Immigrationspolitik der Schweiz. Durch diese Umstände stossen Frauen in die einst männerdominierten Berufsfelder vor.

Am 1. Januar 1971 überarbeitet die PTT ihre Beförderungsvorschriften. Die Laufbahnen werden durchlässiger und die Personalpolitik flexibler. Die bis anhin Männern vorbehaltenen Laufbahnen der uniformierten und diplomierten Beamten werden nun auch für Frauen geöffnet. Damit können weibliche Angestellte erstmals eine Kaderlaufbahn einschlagen. Auch der Übertritt vom uniformierten zum diplomierten Beamten wird ermöglicht. Aus der Gehilfin wird neu die Assistentin.

1977 nimmt die PTT das Prinzip: "Bei gleicher Ausbildung, gleicher Arbeit und gleicher Verantwortung sind Mann und Frau einander gleichzustellen" in ihre unternehmungspolitischen Grundsätze und Richtlinien auf und setzt ein Zeichen gegen die Lohndiskriminierung. Das eigentliche Problem liegt aber darin, dass Frauen nur schwer die gleiche Arbeit und Verantwortung erlangen. Gerade in prestigeträchtigen Bereichen, wie etwa der Bahnpost, verteidigen Männer mit allen Mitteln ihre Domäne. Nur wenigen Frauen gelingt es in die Reihen der Kaderleute aufzusteigen und so bleiben sie dort eine Minderheit. 1991 sieht sich die PTT erneut veranlasst, ihre weiblichen Angestellten mit zusätzlichen Mitteln zu fördern. Das Programm "Taten statt Worte" soll die Frauenquote in allen Bereichen erhöhen.

Trotz Öffnung der Kaderlaufbahn und Programmen zur Frauenförderung gelingt aber nur wenigen der Aufstieg. Ein Blick in die Personalstatistik zeigt: Nach über zwei Dekaden sind Frauen immer noch überwiegend in den unteren Lohnklassen vertreten.

Frauen arbeiten vorwiegend in den unteren Lohnklassen. Gerade einmal vier Frauen sind in den Lohnklassen 4 und 5 angesiedelt.

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Hanna Weiersmüller:

Man war eine Gefahr für die Familienväter

Kaderfrauen

Postlogistik

Am 1. Januar 1849 schliessen sich die kantonalen Postverwaltungen zur eidgenössischen Post zusammen. Fortan organisiert diese den Brief- und Paketverstand im Inland und mit dem Ausland. Diese Kernaufgabe bleibt bis heute bestehen. Ihre Umsetzung hingegen unterliegt einem permanenten Wandel. Neue Technologien und wirtschaftlicher Druck drängen die Post immer wieder zu Anpassung und Reorganisation.

Die Gründung der eidgenössischen Post fällt in eine Zeit, die in der heutigen Geschichtsschreibung als "Verkehrsrevolution" bekannt ist. In Nordamerika und Europa revolutionieren neue Technologien den Schiffsverkehr und bringen die Eisenbahn. Auch die Post verlagert ab 1853 die Transportwege auf die Schienen. 1857 schafft sie den Bahnpostdienst, um Sendungen bereits in den Zügen zu sortieren. Dadurch verkürzt und verbilligt sich der Versand von Briefen. Briefeschreiben wird für die breite Bevölkerung erschwinglich, als Folge davon erhöht sich von 1850 bis 1910 das Briefvolumen um das 20-fache. Die anspruchsvolle Tätigkeit der „Bahnpöstler“ wird im Verlauf des 20. Jahrhunderts zum Rückgrat der Postlogistik und dient als Sprungbrett für die Kaderlaufbahn. Bis 2004 bleibt die Bahnpost in Betrieb.

Nicht jede technologische Innovation revolutioniert auch die Postlogistik. Immer wieder scheitern vielversprechende Vorhaben an der Umsetzung oder zu hohen Kosten. So beispielsweise die Luftpost: Zwar verteilen bereits 1913 erstmals Flugzeuge Briefe zwischen Schweizer Städten. 1919 kann auf der Strecke Zürich-Bern-Lausanne-Genf in Zusammenarbeit mit der Militärverwaltung sogar ein regelmässiger Luftpostversand etabliert werden. Das Projekt bringt jedoch weder einen entscheidenden Zeitgewinn noch die nötigen Einnahmen und wird noch im selben Jahr wieder eingestellt. Erst einige Jahre später gewinnt die Luftpost im internationalen Verkehr an Bedeutung.
Noch abenteuerlicher sind Versuche, die Post mittels Raketen zu verteilen. Zwischen 1935 und 1961 werden in der Schweiz entsprechende Tests durchgeführt. Die Flugkörper erweisen sich aber als zu ungenau und zu gefährlich, weshalb die Postrakete nie richtig zur Anwendung kommt.

Das rollende Postbüro

Die Bahnpost gilt lange Zeit als das Rückgrat der Schweizer Postlogistik. An den Bahnhöfen wird die vorsortierte Post für den Weitertransport umgeladen.

Grossen Einfluss auf die Postlogistik haben die Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzenden Automatisierungs- und Digitalisierungsprozesse. Ein erster Schritt wird mit der Einführung der Postleizahl im Jahr 1964 gemacht. Die Vergabe der Zahlen von 1000 bis 9999 erfolgt systematisch von Westen nach Osten und orientiert sich am Verlauf der Bahnpoststrecken. Das neue System marginalisiert Kenntnisse zur Schweizer Geografie in der Postsortierung. Wurden die Sendungen bisher von gutqualifizierten Betriebsbeamten sortiert, beschäftigt die Post für diese Arbeit fortan vermehrt günstigere Arbeitskräfte, meist Frauen oder Ausländer. Mit der Inbetriebnahme der ersten mechanischen Briefsortieranlage in Bern werden die Adressen noch manuell von sogenannten Codiererinnen erfasst. Ab Mitte der 1980er Jahre ermöglichen neue Technologien schliesslich auch das automatische Lesen der Adressen. Die Anlagen benötigen damit immer weniger menschliche Unterstützung. Sie verursachen aber auch hohe Investitionskosten in einer Zeit, in der die Post finanziell zunehmend unter Druck gerät. Alleine im Jahr 1991 beträgt der Verlust 864 Millionen Franken. Dank der internen Finanzströme von der rentablen Telecom-Seite kann das Defizit zu PTT-Zeiten noch ausgeglichen werden. Doch die beiden Bereiche sollen getrennt und liberalisiert werden. Noch vor Ende des Jahrtausends muss die Post alleine am dem Markt bestehen können. Diverse Massnahmen sollen die Post effizienter machen, auch in der Logistik.

Um die Sortiermaschinen bei Tag und Nacht optimal auszulasten, wird 1991 die A- und B-Post eingeführt. Mit den Projekten „Briefpost 2000“ (1993-1997) und „Paketpost 2000” (1994-1999) werden weitere automatisch Brief- und Paketzentren errichtet. Das einst aus 4000 Poststellen bestehende Logistiknetzt läuft nun über 24 Briefzentren und drei Paketzentren. Die Rationalisierungsmassnahmen haben grosse Auswirkungen auf das Personal. Dank Arbeitskräftemangel gelingt der Umbau jedoch ohne Entlassungen. Ende 1997 wird der Staatsbetrieb PTT aufgelöst und in die Unternehmen Swisscom und Post aufgeteilt. Die Kreispostdirektionen werden aufgehoben und vertikale Spartenorganisationen errichtet. Die Bereiche Briefe und Pakete werden in vier Prozessregionen aufgeteilt. Die Post führt ihre Bestrebungen nach mehr Effizienz auch nach der Liberalisierung weiter. Mit dem Projekt REMA (2001-2009) reduziert sie die Anzahl der Verteilzentren und streicht Hunderte Stellen. 2015 existieren noch drei Briefzentren und sechs kleinere Logistikzentren. Dank Frühpensionierungen und Abgangsentschädigungen verläuft auch dieser Umbau für die meisten Angestellten glimpflich.

Karte zur Einführung der Postleitzahl

1964 wird in der Schweiz die Postleitzahl eingeführt. Sie vereinfacht die Postlogistik und bietet die Grundlage für die spätere Automatisierung der Sortieranlagen.

Auch zukünftig wird sich die Post immer wieder den technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen müssen. Heute kommunizieren wir via Smartphone in Sekundenbruchteilen mit Menschen aus der ganzen Welt und bestellen Konsumgüter direkt zu uns nach Hause, anstatt sie im Laden zu kaufen. Unsere Erwartungen an Kommunikation und Transport verändern auch die Postlogistik. Die Vergangenheit hat gezeigt, wie vielfältig und einschneidend Veränderungen in diesem Bereich sein können. Zukünftige Entwicklungen sind schwer vorauszusagen. Werden in Zukunft Drohnen die Post liefern? Wird die Digitalisierung den Brief wegrationalisieren? Werden Pakete, ähnlich wie bei Uber, bald von Privatpersonen verteilt?

5/25

Erwin Furrer:

Und auf einmal wurde von der Maschine sortiert

Postlogistik

Automatisierung der Telefonzentralen

Bereits im Jahr 1892 wird in den USA die weltweit erste automatische Telefonzentrale in Betrieb genommen. Gleichwohl dauert es Jahrzehnte bis die selbsttätige Gesprächsvermittlung auch in der Schweiz zuverlässig und effizient eingesetzt werden kann. Die allmähliche Automatisierung der Telefonzentralen während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verändert sowohl den Aufbau des schweizerischen Telefonnetzes als auch das Berufsbild der Telefonistin. Am 3. Dezember 1959 ist die Schweiz das erste Land, dessen Telefonverkehr vollumfänglich automatisiert ist.

Am 3. November 1892 wird in La Porte, Indiana, die allererste automatische Telefonzentrale in Betrieb genommen. Anschlüsse werden dort nicht mehr länger von Hand miteinander verbunden, sondern durch einen selbsttätigen Hebdrehwähler, den sogenannten Strowger-Switch. Dank diesem können sich Telefonbesitzer innerhalb des örtlichen Netzes fortan selbstständig durchwählen, die manuelle Arbeit der Telefonistinnen entfällt. Eine zweite derartige Telefonzentrale wird um 1900 in New Bedford, Massachusetts gebaut. Wenig später folgt eine grosse automatische Zentrale in Chicago, die selbsttätige Wähler für mehrere Tausend Anschlüsse umfasst und in ihrer Grösse alle bis dahin gebauten Handzentralen übertrifft.

In Europa beginnt die Automatisierung der Telefonie indes erst nach der Jahrhundertwende. Es sind die Kaiserlichen Telegrafenverwaltungen Deutschlands und Österreichs, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre Zentralen allmählich mit Strowger-Switches ausstatten, um die schnell wachsende Anzahl der Telefongespräche bewältigen zu können. Genau wie in den Nachbarländern nimmt in dieser Zeit die Zahl der Teilnehmenden auch in der Schweiz rasant zu. Als Folge dieser Zunahme sieht sich die Eidgenössische Telegraphen- und Telefonverwaltung dazu gezwungen, ihre bestehenden Telefonzentralen nach und nach zu erneuern, zu vergrössern und dem neusten Stand der Technik anzupassen. Erste konkrete Pläne zur teilweisen Automatisierung der Ortsämter werden im Jahr 1910 gefasst. Doch der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verzögert deren Ausführung und so kann die allererste halbautomatische Telefonzentrale der Schweiz, Zürich-Hottingen, nicht vor dem Jahr 1917 in Betrieb genommen werden.

Manueller Betrieb vor der Automatisierung

Kombiniertes Telefon- und Telegrafenbüro in Kreuzlingen im Jahr 1907.

Nach den ersten Erfahrungen mit der halbautomatischen Gesprächsvermittlung in Zürich-Hottingen und im Angesicht der weiterhin wachsenden Teilnehmerzahlen beschliesst die Eidgenössische Telegraphen- und Telefonverwaltung im Jahr 1920 die vollständige Automatisierung der Telefonzentralen in den grösseren Städten. Namentlich die Telefonzentralen in Zürich, Lausanne, Genf, Bern und Basel sollen in den vollautomatischen Betrieb übergehen. Die Erneuerung der Zentralen in Lausanne und Genf scheint zu diesem Zeitpunkt besonders dringlich, da deren Anschluss- und Vermittlungskapazitäten beinahe ausgereizt sind. Die erste vollautomatische Telefonzentrale der Schweiz, gebaut nach amerikanischem Vorbild, wird denn auch in Lausanne eröffnet, am 29. Juli 1923. Ein Jahr später wird die Zentrale Genf - Mont Blanc ebenfalls mit Strowger-Switches ausgestattet, St.Gallen-Winkeln folgt im Jahr 1925 und Zürich-Hottingen wechselt 1926 ebenfalls in den vollautomatischen Betrieb. Die grosse Beliebtheit der automatisierten Gesprächsvermittlung bei den Teilnehmenden, die sich sehr rasch an die Selbstwahl gewöhnen, die Einsparungen und die Unermüdlichkeit der mechanischen Wähler führt dazu, dass die manuelle Vermittlung längerfristig auch in den übrigen Telefonzentralen aufgeben wird.

Eine wichtige Entwicklungsstufe in der Automatisierung der Telefonzentralen ist die Einführung der sogenannten Städtewahl. Wie der Name bereits andeutet geht es den mittlerweile zusammengelegten Post-, Telefon- und Telegrafenbetrieben (PTT) um automatische Verbindungen zwischen den städtischen Ortsnetzen. Während eine Telefonverbindung in eine andere Stadt bis zu diesem Zeitpunkt durch eine Ausgangstelefonistin (im Netz der Anrufenden) und eine Eingangstelefonistin (im Netz der Angerufenen) vermittelt werden musste, können die Telefonierenden fortan bestimmte netzübergreifenden Verbindungen selbst aufbauen. Die erste Städtewahlverbindung wurde am 29. März 1930 zwischen Bern und Biel eröffnet. Noch im selben Jahr konnte auch zwischen Basel und Zürich der Selbstwählverkehr aufgenommen werden. Der vollautomatische Verkehr wickelt sich vorläufig nur zwischen Teilnehmenden aus den Städten ab. Ein automatischer Verkehr zwischen ländlichen Ortsnetzen ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Es lässt sich aber bereits erahnen, dass über kurz oder lang alle Netze der PTT in den vollautomatischen Betrieb wechseln.

Beschluss zum Bau einer halbautomatischen Zentrale im Jahr 1910

«Eine gründliche Prüfung der Angelegenheit ergab, dass das halbautomatische System [der Western Electric Co.] den manuellen Systemen in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht stark überlegen war.»

Die zunehmende Automatisierung der Telefonie verändert den Aufbau des schweizerischen Telefonnetzes in den kommenden zwei Jahrzehnten grundlegend. Diese Veränderungen sind wirtschaftlichen Überlegungen geschuldet: Da die Anlagekosten der Kabel jene der Telefonzentralen bedeutend übersteigen, können die PTT erhebliche Einsparungen erzielen, sobald es ihnen gelingt, die Fernbetriebsleitungen zu bündeln und damit besser auszunützen. Grob vereinfacht gesagt versucht die PTT im Zuge der Automatisierung möglichst viele Gespräche durch möglichst wenige Telefonleitungen zu führen. Dies wird durch die automatische Durchschaltung erheblich erleichtert. Denn während im Handbetrieb jede Telefonzentrale in einem Maschennetz mit vielen anderen Zentralen direkt verbunden werden muss, um damit unnötige manuelle Arbeit zu verhindern, sind beim automatischen Verbindungsaufbau allfällige Umwege ohne Belang. Das Bestreben bei der Automatisierung geht also dahin, die Zahl der Leitungen durch Aufhebung von gewissen Verbindungen zu verringern, die Gespräche zu bündeln und dadurch deren Ausnützung zu steigern. Ein sternförmiges Netz entsteht, das bis Ende der 1950er Jahre eine Million Anschlüsse umfasst.

Im Jahr 1959 wird die letzte handbediente Zentrale automatisiert, womit die Schweiz als erstes Land der Welt über ein vollautomatisiertes Telefonnetz bis in das entlegenste Dorf verfügt. Auch die Selbstwahl über die Landesgrenze hinweg setzt sich in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre durch. Entsprechend beginnt sich auch das Berufsbild der Telefonistinnen zu verändern. Da der manuelle Vermittlungsdienst seit den 1960er Jahren schlicht nicht mehr gebraucht wird, lassen sich die Telefonistinnen kaum noch für die manuelle Gesprächsvermittlung ausgebilden. Bis zur Auflösung der PTT im Jahr 1997 wird nur noch ein minimaler Bruchteil des internationalen Gesprächsverkehrs von Hand vermittelt.

Das Ticket

Für jedes manuell vermittelte Telefongespräch wird ein Ticket ausgestellt. Auf ihm wird Dauer und Preis des vermittelten Gespräches festgehalten.

6/25

Nelly Iseli-Dällenbach:

«Dann gingen wir tagelang zu Abonnenten, um ihnen zu zeigen, wie man eine Nummer selbst einwählt.»

Automatisierung Telefonzentralen

Der schweizerische Postcheckdienst

Ab 1906 durch einen gesetzlichen Grundversorgungsauftrag gestützt, wird die Post während des 20. Jahrhunderts zur Marktführerin im Schweizer Zahlungsverkehr. 1997 geht aus der Abteilung Zahlungsverkehr der PTT die heutige Postfinance hervor. Ein schwieriger Automationsprozess und die Konkurrenz der Banken sind bis heute die grössten Herausforderungen.

Bereits 13 Jahre nach ihrer Gründung führt die Post 1862 Geldanweisungen ein und sogar Zahlungen ins Ausland können schon abgewickelt werden. Den eigentlichen Startschuss für den postalischen Zahlungsverkehr in der Schweiz bezeichnet jedoch der 1. Januar 1906, als das Gesetz über den Postcheck- und Girodienst in Kraft tritt. Was in Europa damals eine Pionierleistung ist (nur Österreich-Ungarn verfügt vor der Schweiz über einen Postcheckdienst), stösst auf innenpolitischen Widerstand. Der Verband Zürcherischer Kreditinstitute meint beispielsweise, die Schweiz sei mit bis dato 1000 Banken bereits ausreichend bedient. Die Post mit ihrer vernetzten Infrastruktur von rund 4000 Poststellen bietet jedoch die ideale Lösung, den Zahlungsverkehr kleineren Unternehmen und letztlich auch Privatpersonen zugänglich zu machen.

Nach einem schleppenden Start nehmen Postcheckkontoeröffnungen in den ersten 10 Jahren stark zu. Der damit einhergehende Zuwachs an Zahlungsaufträgen zwingt die Post dazu, ihre Checkämter zu vermehren. Ab 1921 nehmen die mehrheitlich weiblichen Checkamt-Angestellten an 25 Standorten Zahlungen entgegen, bezahlen Geld aus und tätigen Überweisungen. Die Arbeit ist anspruchsvoll, das Personal steht unter Zeitdruck. Um 1960 werden von einer Gehilfin über 1000 Transaktionen pro Tag verarbeitet. Als Hilfsmittel steht einzig eine Rechenmaschine zur Verfügung.

Informationsschrift zum Postcheckdienst, 1919

1906 eröffnet die Post ihren Checkdienst. Lediglich 1479 Personen nutzen nach der Einführung die neue Dienstleistung. Die Post wirbt deshalb seit Beginn für das Postcheckkonto.

Konträr zur Situation im Postverkehr ist der Postcheckdienst von Anfang an dem Konkurrenzdruck des freien Marktes ausgesetzt. Dennoch steigt die Anzahl der Kunden stetig an, sodass 1950 bereits über 200‘000 Postcheckkonten gezählt werden können. Gleichzeitig strebt die Post eine ständige Rationalisierung des Betriebs an. Bereits in den 1950er Jahren werden gelochte Einzahlungskarten eingeführt, die teilautomatisiert verarbeitet werden können. Für das Erfassen von Einzahlungsscheinen werden bald auch Mikrofilmkameras verwendet. 

Im Zuge der wirtschaftlichen Hochkonjunktur der 1960er-Jahre entwickelt das breite Publikum ein Interesse am postalischen Zahlungsverkehr. Eine Erhöhung des Automationsgrades und der damit verbundene grossflächigen Einsatz von selbständigen Maschinen und Computern sind unumgänglich. Das Mitte der 1960er-Jahre aufgegleiste Projekt APOCO (Automation des Postcheckdienstes mit Computer) gerät jedoch mehrfach ins Stocken. Gerade die geplante Aufhebung einiger kleinerer Checkämter stösst auf massiven politischen Widerstand, die Betroffenen fürchten um ihre Arbeitsplätze. Andere Punkte von APOCO können erfolgreich realisiert werde. Eine der wichtigsten Neuerungen stellt die Einführung des Postomats im Jahr 1978 dar. Das Gerät erlaubt das beispiellos einfache Abheben von Ersparnissen – und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit. Dennoch sieht sich das APOCO-Projekt zusehends lautstarker öffentlicher und interner Kritik ausgesetzt. 1991 wird es vom PTT-Verwaltungsrat gestoppt –  APOCO sei zu teuer, zu langfristig gedacht und deshalb auch zu unwirtschaftlich. Für die PTT ist es ein Desaster. Im Folgejahr wird die Gesamtautomation neu aufgegleist, diesmal unter dem Projektnamen KUKOBEZA (Kunden-Konten-Belegdatenerfassung der Zahlungsaufträge). Innerhalb von neun Monaten werden 1996 die 25 Checkämter in sechs Verarbeitungszentren und ein Servicezentrum überführt, womit der gesamte Postzahlungsverkehr automatisiert ist und zwei enorme Ressourcen verschleissende Grossprojekte doch noch zum Abschluss kommen.

Einzahlungskarte, 1962

Mit den 1950er Jahren eingeführten Lochkarten können Zahlungen bereits weitgehend automatisch verarbeitet werden.

In den 1990er Jahren normalisiert sich das bis dahin schwierige Verhältnis mit den Banken. Eine 1993 gebildete „Groupe de réflexion PTT/banques“ hat das Ziel, systemübergreifende Zahlungen zu ermöglichen. Einheitliche Lösungen beim bargeldlosen Bezahlen in Geschäften können so realisiert werden. Ausserdem wird es nun möglich, mit einer Postcard Geld bei einem Bancomaten zu beziehen und umgekehrt. Mit der Auflösung des Staatsbetriebs PTT Ende 1997 erfährt auch der Postcheckdienst eine grundlegende Neuerung. Innerhalb des neuen Unternehmens „Die Post“ entsteht aus der ehemaligen Abteilung für Zahlungsverkehr die Tochtergesellschaft Postfinance.

Im Jahre 2019 reichen die Tätigkeiten der Postfinance weit über den eigentlichen Zahlungsverkehr hinaus, längst hat sich das gelbe Finanzinstitut in Richtung Bank entwickelt. Unverändert geblieben ist der Grundversorgungsauftrag des Bundes, der besagt, dass die Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs im ganzen Land sichergestellt sein müssen. Diese Konstante zieht sich durch die über 100 Jahre andauernde, bewegte Geschichte des postalischen Zahlungsverkehrs. 

8/25

Peter Portmann:

«Dann kamen wir mit den Postomaten. Das gefiel den Banken überhaupt nicht.»

Zahlungsverkehr

Telegrammvermittlung mit Computern – das ATECO-Projekt

10. Mai 1971 – nach fast 10 Jahren Planung, Entwicklung und Tests nimmt das neue ATECO-System der PTT den Betrieb auf. Es ist ein Meilenstein in der Schweizer Telegrafiegeschichte. Mit ATECO, der automatischen Telegrammvermittlung per Computer, wird der älteste Zweig der Fernmeldedienste (der Telegrafendienst existiert seit 1852) ins digitale Zeitalter überführt. Das ATECO-Projekt bringt nicht nur technischen Fortschritt, sondern auch einschneidende Veränderungen für Betrieb und Personal mit sich.

Anfang der 1960er Jahre werden in der Schweiz in Spitzenstunden bis zu 6500 Telegramme vermittelt. Trotz effizienzsteigernder Massnahmen in der Nachkriegszeit ist der Telegrafendienst extrem personalintensiv und zunehmend defizitär. Mit herkömmlichen Mitteln lässt er sich nicht weiter rationalisieren. Aus diesem Grund beschliesst die PTT 1963, einen für diese Zeit revolutionären Weg zu beschreiten: Die Telegrammvermittlung durch Computer. Es ist die Geburtsstunde des ATECO-Projekts.

Das Telegrafennetz in der Schweiz ist zu diesem Zeitpunkt ein maschenförmiges Gebilde, die Vermittlung erfolgt von Telegrafenamt zu Telegrafenamt. Mit ATECO wird der gesamte Telegrammverkehr künftig über ein zentrales Computersystem abgewickelt. Zürich-Wiedikon wird als Standort des Computers bestimmt. Die ATECO-Entwickler haben ambitionierte Ziele: Sämtliche Routinevorgänge wie Empfang, Taxierung, Speicherung und die Weiterleitung der Telegramme sollen fortan vom Computer übernommen werden. Die PTT verspricht sich, dass damit Hunderte von Arbeitsplätzen eingespart werden können. Obwohl in erster Linie für den Telegrammverkehr gedacht, nimmt ATECO auch Aufgaben im Bereich der Telefonie wahr. So werden die Karteien des Störungsdienstes Zürich mit den Kundendaten in den Rechner aufgenommen.

Schematische Darstellung ATECO-Netz, 1983

Nach der Einführung von ATECO wird der gesamte Telegrammverkehr über das Computersystem in Zürich abgewickelt.

Für die Realisierung des ATECO-Projekts erstellt die PTT 1965 ein umfangreiches Pflichtenheft, mehrere potenzielle Hersteller reichen ihre Vorschläge für die Umsetzung ein. Darunter auch die Firma Hasler, die im Projekt eine Chance sieht, in die Computerbranche einzusteigen. Den Zuschlag erhält jedoch das US-Unternehmen Sperry Rand mit dem Computer UNIVAC 418. Für die PTT besitzt der störfreie Betrieb des Computersystems allerhöchste Priorität. Das Gesetz schreibt nämlich vor, dass die Telegrafie auch in einer Krisensituation das letzte funktionierende Kommunikationsmittel sein muss. Da ATECO nur ein einziges Zentrum vorsieht, über welches der gesamte inländische wie ausländische Telegrammverkehr abgewickelt wird, wäre ein Totalausfall fatal. Damit dieser Fall nicht eintrifft, wird die Verarbeitung jedes Telegramms jeweils von drei Computern parallel durchgeführt. Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass einmal zwei Rechner gleichzeitig versagen, stünde somit immer noch eine dritte Einheit zur Verfügung. Mit diesem Triplex-System erreicht man eine Ausfallsicherheit von sagenhaften 99,94 Prozent. Ein Kollaps von ATECO ist statistisch gesehen lediglich alle 25 Jahre zu erwarten.

Im Mai 1971 ist es soweit, ATECO geht in Betrieb. Die Einführung geschieht stufenweise in mehreren Etappen. Erst im April 1972 erfolgt mit dem Anschluss der letzten ausländischen Telegrafenstellen die vollständige Übernahme des Telegrammverkehrs durch den Computer in Zürich.

ATECO bringt zwar technischen Fortschritt, aber auch spürbare Veränderungen für die Angestellten mit sich. Die Einführung des Projekts bedeutet zunächst, dass viel weniger Personal im Telegrafendienst benötigt wird, was unter den Angestellten für Ängste sorgt. Entlassungen gibt es allerdings keine, da die PTT in den 1960er und 1970er Jahren mit Rekrutierungsschwierigkeiten kämpft und eher zu wenig als zu viel Personal hat. Die Einführung von ATECO ist für das Telegrafen-Personal dennoch mit Umschulungen und Anpassungen verbunden.

Computer im ATECO-Zentrum, 1971

Die drei Zentralrecheneinheiten bilden das Herzstück von ATECO. Das Triplex-System garantiert einen praktisch pannenfreien Betrieb.

Nach der Einführung verrichtet ATECO lange zuverlässig seinen Dienst. Erst Ende der 1980er Jahre zeigt sich, dass es durch ein neues, zeitgemässes System abgelöst werden muss. Und so werden die UNIVAC-Computer 1991 nach unglaublichen 20 Betriebsjahren ausrangiert. Zu diesem Zeitpunkt neigt sich das Zeitalter der Telegrafie bereits seinem Ende entgegen. Fax und vor allem das aufkommende Internet mit der Möglichkeit, E-Mails zu versenden, versetzen dem einst so wichtigen Kommunikationsmittel den Todesstoss. Im Jahre 2001 stellt die PTT-Nachfolgerin Swisscom den Telegramm-Verkehr ein.

Knapp 40 Jahre zuvor, bei der Lancierung des ATECO-Projekts, ist eine solche Entwicklung noch undenkbar. Millionen Telegramme werden jährlich verschickt, weshalb die PTT grosse Anstrengungen für die technische Weiterentwicklung in diesem Bereich unternimmt. Die Umstellung eines gesamten öffentlichen Telegrafennetzes auf Computerbetrieb ist eine europäische Neuheit. Tatsächlich existieren schon vor ATECO kleinere private Telegrafennetze, bei denen Computer eingesetzt werden. Punkto Komplexität und Betriebssicherheit sind diese jedoch nicht mit dem PTT-Projekt zu vergleichen. Besonders die Zuverlässigkeit des Systems erregt auch international Aufmerksamkeit. So setzt unter anderem die NASA für ihre Weltraumflüge einige Jahre nach der Einführung von ATECO auf dieselbe Computertechnik.

Die automatische Telegrammvermittlung durch Computer ist eine der grossen Pionierleistungen der PTT. Sie steht am Beginn einer Epoche, die allgemein von Automation und in zunehmendem Masse von Digitalisierung geprägt ist.

9/25

Willy Glur:

«ATECO war eine grosse, fundamentale Veränderung der Telegrafie.»

ATECO

Das Postauto und seine technische Entwicklung

Im Verlaufe des 20. Jahrhunderts investieren Oberpostdirektion und später die PTT-Generaldirektion laufend in technologische Entwicklungen, um der Schweizer Bevölkerung einen effizienten Service Public zur Verfügung stellen zu können. Exemplarisch dafür steht die Entwicklungsgeschichte des Postautos, dessen Technik durch Einflüsse aus verschiedensten Bereichen über die Jahre einen rasanten Fortschritt erfährt.

Seit 1906 kurbeln die eidgenössischen Postbetriebe die einheimische Produktion und Volkswirtschaft an, indem sie ihre Postautos ausschliesslich im Inland entwickeln und herstellen lassen. Die ersten Fahrzeuge weisen noch starke Verwandtschaften zu den früheren Postkutschen auf: Der Passagiereinstieg befindet sich hinten, Karosserie inklusive Sitzbänke sind aus Holz gefertigt. Vorne, unter einem mächtigen Kühler, ist der Motor untergebracht. Die Passagiere sitzen zwischen Briefen und Paketen, ist doch das Postauto auch für den Posttransport verantwortlich. Als Transportmittel für jedermann sollen diese ersten Omnibusse (von lateinisch „omnibus“ = „allen“ resp. „für alle“) der Schweizer Bevölkerung die urbanen Zentren erschliessen. Der Treibstoffverbrauch der Ur-Postautos beträgt stolze 40 Liter auf 100 Kilometer.

Bei den ersten Alpenpostwagen ist dieser Verbrauch sogar noch höher. Teilweise über 50 Liter Benzin pro 100 Kilometer verbrauchen diese Fahrzeuge, die ausserdem über weniger Sitzplätze verfügen als ihre Geschwister im Flachland (ca. 20 Plätze gegenüber 30 bis 40). Anfänglich sind die Alpenpostwagen noch mit Vollgummireifen unterwegs. Schnell stellt man jedoch fest, dass sich mit luftgefüllten Reifen bis zu 15 Prozent Benzin einsparen lassen. Zwischen 1921 und 1924 werden die Fahrzeuge deshalb mit neuen Reifen ausgestattet. Mit dem 1931 eingeführten Dieselmotor kann der Treibstoffverbrauch einige Jahre später noch einmal um die Hälfte reduziert werden. Die 1940er-Jahre sind geprägt von Ressourcenknappheit. Anstelle von Diesel werden Postautos in diesen Jahren deshalb zwischenzeitlich auch mit Holzgas angetrieben.

Bis 1968 befindet sich das Steuerrad auf der rechten Seite des Fahrzeuges (Rechtslenkung), wo sich auch die Türen befinden, durch welche die Passagiere einsteigen. Der Chauffeur muss bei jeder Haltestelle aufstehen um die Türen von Hand zu öffnen und die Passagiere hereinzulassen, um die Fahrscheine zu kontrollieren oder zu verkaufen. Diese Postautos sind ausgestattet mit einer fortschrittlichen Kabine für das Fahrpersonal. Angetrieben werden sie von Unterflurmotoren, die sich unter dem Wagenkasten befinden.

Regelmässig müssen ältere Postautos ausrangiert und durch neuere ersetzt werden. Über Neubeschaffungen entscheiden vor allem die Betriebsinspektoren der PTT-Generaldirektion. Das gilt sowohl für Regiebetriebe als auch für die Fahrzeuge von Postautohaltern. Überhaupt verfügen die Inspektoren über weitreichende Kompetenzen im Schweizer Postautobetrieb.

Postkarte, 1910

Die ersten Postautos und das Misstrauen der Reisenden, thematisiert auf dieser Postkarte von 1910.

Bedeutende technische Neuerungen bringen die 1970er Jahre mit sich: Der Gelenkbus wird erfunden und neue Postautos werden nun mit Luftfederung und Scheibenbremsen ausgestattet. Eine wichtige symbolische Veränderung vollzieht sich ausserdem in der Beschaffungspolitik der PTT. Neue Fahrzeuge werden nun auch bei ausländischen Herstellern bestellt, so beispielsweise bei Mercedes Benz. Ein Gesetz aus dem Jahre 1916 hatte der PTT noch vorgeschrieben, dass Fahrzeuge bei inländischen Herstellern beschafft werden müssen, sofern eine einheimische Produktion existiert. Das Jahr 1971 markiert schliesslich das Ende dieser Politik, indem der Markt auch für die ausländische Konkurrenz geöffnet wird. Die einheimische Produktion ist schlicht zu schwach und die Wartezeiten nach einer Bestellung zu lange – die Lieferzeit beträgt bis zu 2 Jahre! – um die Anforderungen an Flexibilität und technischen Fortschritt noch erfüllen zu können. Die PTT wendet sich daher an ausländische Unternehmen.


1985 liefert Saurer das letzte komplett in der Schweiz hergestellte Postauto aus. Zur selben Zeit finden die ersten Versuche mit elektrisch betriebenen Postautos statt. Andere Fahrzeugtypen hingegen verschwinden. So beispielsweise die Busse ohne Verdeck, die seit den 1920er-Jahren auf Alpenpostkursen eingesetzt wurden. Sie werden mit der Verlagerung der Produktion ins Ausland nicht mehr hergestellt. Erst seit 2017 ist es wieder möglich mit Postauto-Cabriolets auf Schweizer Strassen herumzukurven. Allgemein sind die 1980er Jahre geprägt von zunehmender Automation und der Einführung von immer mehr elektronischen Komponenten, so beispielsweise bei den Kassen oder Billetautomaten.


Stets beobachtete man die Entwicklungen im Ausland und hat technische Neuerungen übernommen. So konnte die PTT im Verlaufe des 20. Jahrhunderts ihre Flotte auf einem möglichst aktuellen Stand halten, immer beeinflusst von den Bedürfnissen der Bevölkerung und der aktuellen politischen und technischen Situation.

Skizze eines Postautos, 1943

Skizze eines Postautos von 1943 mit allen technischen Angaben. Im Kofferraum konnten bis 24 Milchkannen transportiert werden.

10/25

Fritz Jenni:

«Das Postauto war für viele Leute ein Symbol.»

Postauto Technik

50 Jahre digitale Transformation in der Schweiz

Die Digitalisierung des Fernmeldewesens in der Schweiz vollzieht sich in verschiedenen Stufen: Ab 1969 werden Übertragungswege digitalisiert. Mitte der 1980er-Jahre beginnt die Digitalisierung der Telefonzentralen und 1988 startet die Digitalisierung der Teilnehmeranschlüsse wie z.B. für Telefon und Fax. Die PTT-Telecom-Nachfolgerin Swisscom wechselt Ende 2017 zur Internettelefonie, womit das Kapitel Integrated Services Digital Network (ISDN) abgeschlossen wird.

Digitalisierung final from PTT-Archiv on Vimeo.

Der Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur und das Wachstum der Nachfrage nach neuen, schnelleren und zuverlässigeren Diensten läuft Hand in Hand. Mit dem Wirtschaftsaufschwung und den gesellschaftlichen Veränderungen der Nachkriegszeit sieht sich die PTT dem andauernden Druck ausgesetzt, ihren Betrieb und ihre Angebote den Bedürfnissen einer entstehenden Informationsgesellschaft anzupassen. Dieser Innovationsdruck, der sich bei der PTT in verschiedenen Rationalisierungsprojekten zeigt, bereitet schon vor über 50 Jahren den Boden für den Aufbruch in das digitale Zeitalter: In den 1960er-Jahren wird in der PTT-Forschungsabteilung die Vision eines digitalen Telefonnetzes entwickelt. Die Fortschritte im Bereich der Mikroelektronik und Computer eignen sich, um die Übermittlungssysteme effizienter und leistungsfähiger zu gestalten. Am Ende der Konzeptarbeit steht die Idee der Integration aller Dienste. Das bedeutet, dass alle Nachrichtenformen wie Sprache, Daten und Bilder in ein und demselben Netz übertragen werden.

Werbebroschüre für das IFS, 1979

Das Integrierte Fernmeldesystem wird als Schlüssel für die Kommunikationsbedürfnisse der Zukunft betitelt.

Treibende Kräfte hinter dem Wandel von der analogen zur digitalen Technik sind junge Ingenieure der Forschungsabteilung, die mit der Pulse-Code-Modulation (PCM) vertraut sind. Bei der PCM wird ein kontinuierliches analoges Sprachsignal codiert und in Form von binären Impulsen übermittelt. Zentraler Vorteil ist die Störungsresistenz auch bei langen Übertragungsdistanzen. Die Fernmeldeabteilung der PTT vertritt den Anspruch, technisch an der Spitze zu stehen und dort zu bleiben. Ihre Tätigkeiten misst sie am Stand der internationalen Forschung. Auch deshalb findet das Anliegen der Ingenieure Gehör: Nach einer Besprechung lanciert die PTT 1967 mit drei Firmen der schweizerischen Fernmeldeindustrie – Hasler, Siemens-Albis und Standard Telephon & Radio – die "Arbeitsgemeinschaft Pulse-Code-Modulation". Diese arbeitet von 1969 bis 1983 an der nationalen Eigenentwicklung eines "Integrierten Fernmeldesystems" (IFS), welches die Vermittlung von PCM-modulierten Gesprächen steuern und die Schnittstellenprobleme zwischen analogen und den neuen digitalen Zentralen beseitigen soll.

Eine IFS-Pilotanlage im Berner Mattenhof vermittelt 1976 elektronisch und rechnergesteuert während mehreren Monaten Gespräche zwischen dem Bollwerk und den Knotenämtern der Netzgruppe Bern. Doch das Projekt gerät in Schwierigkeiten und in der Arbeitsgruppe führen die verschiedenen Ansprüche zu Reibungen. Trotz steigender Entwicklungs- und Personalkosten kommt es zu Verzögerungen beim Liefertermin der neuen Transitzentralen. Die Anforderungen an ein nationales IFS können nicht unter Kontrolle gebracht werden. 1983 müssen die Verantwortlichen einsehen, dass die Rettungsversuche scheitern. In den Medien werden die Kosten daraufhin auf rund 200 Millionen Franken geschätzt und der Nationalrat debattiert über die Zukunft der schweizerischen Fernmeldeindustrie.

Das Scheitern der Eigenentwicklung tut der Digitalisierung keinen Abbruch, als zu wichtig erweist sich die ISDN-Fähigkeit im Telekommunikationsmarkt, also die Möglichkeit einer voll digitalisierten Teilnehmer-zu-Teilnehmer-Kommunikation. Dabei werden alle Dienste (Übermittlung von Sprach- und Nichtsprachsignalen) in Form eines kontinuierlichen Flusses von Bits über denselben Anschluss verbreitet. Der Projektabbruch beschleunigt die Transformation des Fernmeldesektors, weil die PTT nun im Ausland erprobte Systeme kauft und sie ins heimische Netz integriert. Mit "Swissnet I" verwirklicht die PTT ab 1988 den internationalen Standard des Integrated Services Digital Network (ISDN) in der Schweiz. Ende 2017 wird ISDN endgültig von der Internettelefonie abgelöst.

12/25

Albert Kündig:

«Ich konnte die ganze Entwicklung der Digitalisierung mitverfolgen.»

Digitale Transformation

Ein Leben lang bei der PTT - Die Monopolberufe

Bei ihrer Auflösung 1997 beschäftigt die PTT rund 60'000 Mitarbeitende und ist somit die grösste Arbeitgeberin der Schweiz. Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten seit der Lehre bei der PTT in den sogenannten Monopolberufen. Die Lehre bei den Post- oder Fernmeldediensten garantiert eine gezielte Ausbildung und einen weitgehend gesicherten Arbeitsplatz. Gleichzeitig schränkt die betriebsgebundene Ausbildung aber auch die Möglichkeiten eines Jobwechsels ein.

Der Begriff Monopolberufe taucht in den Personalvorschriften C2, die die Ausbildung des PTT-Lernpersonals regeln, zum ersten Mal 1967 auf. Gemeint sind damit die von der PTT intern definierten und durchgeführten Ausbildungsgänge:


- Diplomierte Beamte (2-jährige Lehre): Betriebssekretär, Telegrafist, Bürochef
- Gehilfinnen (1-jährige Lehre): Schalterbeamtin, Checkdienst, Telegrafistin, Telefonistin
- Uniformierte Beamte (1-jährige Lehre): Briefträger, Postverarbeitung, Bürodienst


Die Berufe existieren aber nicht erst seit 1967. Die Ausbildung in den spezifischen Arbeitsfeldern der PTT hat eine lange Tradition.


Zur Zeit der Gründung der Eidgenössischen Post 1849 werden die Beamten einzig aufgrund ihrer Vorkenntnisse eingestellt, eine Lehrzeit gibt es nicht. Dies ändert sich aber bald mit den zunehmend neuen Arbeitsgebieten, vor allem durch die Einführung der Telegrafie 1852. So ist es denn auch die Telegrafenverwaltung, die zuerst beginnt, Telegrafisten und Telegrafistinnen auszubilden. 1869 wird die Lehre auch im Postdienst eingeführt.


Bei der Einführung der Telegrafen- und Postlehre sind auch Frauen zugelassen. 1870 zum Beispiel sind von den 64 patentierten Telegrafistinnen und Telegrafisten 25 weiblich. Und auch bei der Post werden jedes Jahr neue Lehrtöchter aufgenommen. Das Angebot besteht jedoch nicht lange. 1894 fällt der Beschluss, keine Frauen mehr zur diplomierten Postlehre zuzulassen und auch die Ausbildung der Telegrafistinnen wird schon bald gegenüber dem Lehrgang für diplomierte Beamte herabgestuft.

Prospekte Personalwerbung PTT

1980, 1969, 1970

Die Lehre zum diplomierten PTT-Beamten ist exakt auf die Post- und Telecom-Abteilung zugeschnitten. Im Postdienst werden die Betriebssekretäre vor allem am Geld- oder Versandschalter und im Bahnpostdienst eingesetzt. Im Fernmeldedienst sind es die Telegrafisten oder Bürochefs. Die Lehrlinge erhalten neben dem praktischen Dienst im Post- oder Fernmeldebetrieb eine umfassende Grundausbildung, die sie auf die Laufbahn der Vorgesetzten- und Verwaltungsdienststellen vorbereitet.


Die ausgebildeten Post-, Telefon-, und Telegrafenlehrtöchter (bis Ende der 1960er Jahre Gehilfinnen genannt) werden vorwiegend für die als weiblich definierten Arbeitsfelder ausgebildet: Am Postschalter, im Postcheckamt, als Telegrafistin oder als Telefonistin. Sie können innerhalb ihres Berufsfeldes in verschiedene Positionen aufsteigen. Die Karriere im Verwaltungsdienst bleibt ihnen aber verwehrt.


Die uniformierten Beamten arbeiten im Postdienst als Briefträger, in der Verarbeitung von Briefen oder Paketen oder übernehmen manuelle Arbeiten im Bürodienst. Mit der Uniform sind sie in der Öffentlichkeit eindeutig als PTT-Beamte erkennbar. Bis in die 1960er Jahre besteht die Ausbildung aus einer mehrmonatigen Anlehre. Erst 1967 wird sie als einjährige Lehre in die C2-Vorschriften aufgenommen.


Der Ende der 1960er Jahre einsetzende Personalmangel und die beginnenden Liberalisierungsbestrebungen in den 1990er-Jahren zwingen den Bundesbetrieb, die bis dahin eher starren Berufswege durchlässiger zu gestalten. Innerhalb der PTT-Berufe wird es möglich, von einer Laufbahn in die andere zu wechseln, was ab 1972 für die Frauen den bis dahin verschlossenen Zugang zu Kaderstellen bedeutet (Ausbildung zur diplomierten Beamtin wird möglich). Gegen aussen zeigt sich die Öffnung in der Angleichung der Diplome an die eidgenössischen Fähigkeitsausweise. Das erworbene PTT-Diplom ist nun auch in der Privatwirtschaft weitgehend anerkannt.

„Und nun, wie wär’s mit der Post?“

Prospekt Personalwerbung PTT 1970.

13/25

Herbert Stucki:

«Mit der Prüfung hat die Laufbahn bei der PTT begonnen.»

Monopolberufe

Das Fernamt – Verbunden mit der ganzen Welt

In den Fernämtern laufen die Leitungen bei den Telefonistinnen zusammen. Sie vermitteln Ferngespräche aus der Schweiz in alle Welt. Als Folge der Automatisierung und der internationalen Selbstwahl ab 1964 verändert sich ihr Arbeitsalltag deutlich.

Gerade erst ist das Telefon 1880 in der Schweiz eingeführt, da drängen Wirtschaftskreise auf den Bau von Leitungen ins Ausland. Die Weltkriege führen zu Unterbrechungen, bremsen die Entwicklung der Infrastruktur und Technik aber nur kurz: 1928 steht erstmals eine Funktelefonverbindung via London nach Amerika. Ende 1952 sind Verbindungen durch Kabel in fast alle europäischen Länder möglich.


Für Verbindungen in noch nicht automatisierte Netze ist eine besondere PTT-Dienststelle zuständig: das Fernamt, auch manueller Vermittlungsdienst genannt. Wollen Anrufende ein Ferngespräch, wählen sie die Dienstnummer 14 (ab 1975: 114). Die Telefonistin im Amt notiert sich alle Angaben zu Anrufenden, Ort und gewünschtem Ziel. An ihrem Vermittlungspult nimmt sie die Stöpsel und steckt damit die entsprechenden Leitungen. Per Rückruf meldet sie die Verbindungsherstellung und überprüft bei Gesprächsbeginn, ob die richtigen Personen am Apparat sind.


Für diese Arbeit verlangt die PTT gute Sprach- und Geografiekenntnisse, freundliches Auftreten, Hilfsbereitschaft und gutes Allgemeinwissen. Zur 1-jährigen Lehre werden nur Frauen zugelassen. Während der Lehrzeit spezialisieren sich die angehenden Telefonistinnen theoretisch und praktisch in einem der Dienste – z.B. im Vermittlungsdienst. In den Telefonzentralen hat es eigene Räume oder Arbeitsplätze für die Fernämter. Dort bearbeiten die Telefonistinnen ihre Anfragen in möglichst kurzer Frist. Nachschlagewerke und viel Routine helfen ihnen, Anrufende immer korrekt zu verbinden. In den 1960ern sind 28 Fernämter in Betrieb.

„Übersee“-Arbeitsplätze in einem Fernamt der PTT, 1960er Jahre

Der manuelle Vermittlungsdienst Nr. 14 ist ein weltweiter Dienst. In den 1950er und 1960er technisch schwer zu bewältigen, beschleunigt sich der Auslandsverkehr in den 1970er

Die Auslandstaxen hemmen zunächst den Anstieg der internationalen Telefonie. 1965 kostet ein dreiminütiges Gespräch in die USA über CHF 52.-. In der Gegenwart entspricht das rund CHF 200.-. Die CHF 5.55, die im selben Jahr 3 Minuten nach Grossbritannien kosten, entsprechen in etwa einem Stundenlohn eines gelernten Handwerkers. Erst mit der Automatisierung der internationalen Telefonnetze und dem Sinken der Tarife in den 1970er Jahren werden Auslandsgespräche zum Massenphänomen.


Die Automatisierung führt zu Arbeitserleichterungen, aber auch zum Stellenabbau. Mit der internationalen Selbstwahl ab 1964 wird nämlich zunehmend ohne manuelle Vermittlung telefoniert. Die Verbindungsherstellung läuft über ein internationales System von Ländervorwahlen (z.B. Schweiz 0041). Bereits 1976 erfolgen über 90% der Auslandsgespräche in Selbstwahl. In dieser Zeit werden die 28 Fernämter auf 7 reduziert. Wechsel in andere Dienste begleiten den Abbau und in der Lehre spezialisieren sich immer weniger Telefonistinnen auf die manuelle Vermittlung. An den Arbeitsplätzen ersetzen Bildschirme die Stöpselautomaten.


Die Telefonkunden gewöhnen sich rasch an die Selbstwahl, an moderne Hilfsmittel und an Direktnummern ins Ausland. In den 1990er Jahren verarbeiten die 7 manuellen Vermittlungszentralen nur einen Bruchteil des internationalen Telefonverkehrs. Die Vermittlungsdienste der Telefonistinnen verlieren an Bedeutung.

Werbeplakat für den internationalen Vermittlungsdienst Nr. 14, 1960er Jahre

Gespräche in Länder aller 5 Kontinente können vermittelt werden. Entsprechend bewirbt die PTT ihren Dienst.

15/25

Marlies Stark:

«Drei Minuten Amerika, 52 Franken.»

Fernamt

Sprachaufenthalte bei der PTT

Von Beginn an ist das Beherrschen verschiedener Landessprachen für die Mitarbeitenden des Bundesbetriebes PTT sehr wichtig. Die tägliche Praxis des Postdiensts, der Telefonie und Telegrafie erfordert gute Sprachkenntnisse. Aus diesem Grund sind sie Teil der Personalvorschriften und somit Voraussetzung für eine Einstellung.

Die Landessprachen sind für die tägliche Arbeit bei der PTT unumgänglich. Entsprechend ist ein Sprachaufenthalt Bedingung für die Aufnahmeprüfung zu einer Lehre für die folgenden Berufsgruppen:


- Gehilfinnen/Betriebsassistentinnen : Schalterbeamtin, Checkdienst, Telegrafistin, Telefonistin
- Diplomierte Beamte (ab 1972 auch Beamtinnen): Betriebssekretär, Telegrafist, Bürochef
- Uniformierte Beamte (ab 1973 auch Beamtinnen): Briefträger, Postverarbeitung, Bürodienst


Um diese Anforderung zu erfüllen, verbringen viele vor ihrer Lehre einen Aufenthalt in einem anderen Landesteil. In der Deutschschweiz ist das „Welschlandjahr" ein fester Begriff. Manche PTT-Anwärterinnen übernehmen in einer Familie als Au-pair Aufgaben in der Kinderbetreuung und im Haushalt. Der Sprachaufenthalt in seinen verschiedenen Formen dient dazu, die Sprache zu erlernen und zugleich erste Schritte in der Arbeitswelt zu machen.


Während der Lehre fördert die PTT die Auszubildenden durch die Organisation von Sprachkursen und Austauschprogrammen zwischen den Sprachregionen. Und in Lehrlingslagern werden PTT'ler aus allen Sprachregionen bewusst durchmischt.


In der Lehrabschlussprüfung werden Sprachkenntnisse geprüft (mündlich und schriftlich). Nach erfolgreichem Abschluss beginnt für die Person die sogenannte „Aspirantenzeit": Während dieser Phase kann sie an verschiedene PTT-Arbeitsorte in der ganzen Schweiz versetzt werden, um Praxiserfahrung zu sammeln und die Sprachkompetenzen zu verbessern. Der Aufenthalt dauert zwischen 8 und 15 Monate. Für diplomierte Beamtinnen und Beamte ist ein Sprachaufenthalt Pflicht. Ausgenommen sind verheiratete Mitarbeitende und jene, die aus einer zweisprachigen Region kommen. Neben den diplomierten Beamten wird vielen weiteren PTT-Berufsgruppen ein solcher Aufenthalt sehr empfohlen.

Berufswortschatz für die Teleoperatrice, Italienisch, 1989

Die Tätigkeit als Telefonistin erfordert spezifische Sprachkenntnisse.

Die sprachliche Weiterbildung wird nach der Ausbildungszeit oft fortgesetzt. Die Kosten für Sprachkurse in der Schweiz, Aufenthalte im Ausland oder einen mehrmonatigen Austausch zwischen den Sprachregionen werden zum Teil von der PTT übernommen.


In den 1960er Jahren wird der sprachlichen Weiterbildung wegen starkem Personalmangel keine Priorität gegeben. Vorrang haben stattdessen Versetzungen an Orte mit grosser Personalknappheit, insbesondere Städte und grosse Dienststellen. Dank einer Verbesserung der Personalsituation gewinnen ab Mitte der 1970er Jahre Sprachaufenthalte wieder an Bedeutung. Neben den Landessprachen wird ab den 1990er Jahren zunehmend Englisch wichtig.


Der nationale Zusammenhalt und der Austausch zwischen den Sprachregionen haben einen hohen Stellenwert in der Betriebskultur der PTT. Es ist kein Zufall, dass das PTT-Ausbildungszentrum in der zweisprachigen Gemeinde Macolin/Magglingen (BE) steht. Diese liegt auf dem „Röstigraben", dem Symbol für kulturelle und sprachliche Unterschiede zwischen den Regionen in der Schweiz.

Broschüre mit Hinweisen für Sprachaufenthalte, 1992

Die Sprachaufenthalte werden bis zur Auslösung der PTT 1997 stark gefördert.

16/25

Evelyne Ferber-Denegri:

«Nach 6 Monaten hatte ich nicht wirklich Schweizerdeutsch gelernt.»

Sprachaufenthalte

Wie viel Staat braucht die Telekommunikation?

Die Liberalisierung der schweizerischen Telekommunikation im Jahr 1998 beinhaltet zwei eng miteinander verwobene Bereiche: Einerseits wird durch die Aufhebung des bisherigen staatlichen Monopols ein Telekommunikationsmarkt im freien Wettbewerb geschaffen. Anderseits führt die Teilprivatisierung des staatlichen Telekommunikationsunternehmens Telecom PTT zur Gründung der Swisscom AG. Diese markanten Schritte fordern auch die Mitarbeitenden heraus.

Spätestens seit Beginn der 1990er Jahre setzt ein politisches Umdenken ein – der Bundesbetrieb PTT, der Telekommunikationsangebote als Monopolist verwaltet, scheint nicht mehr zeitgemäss. Die Ideen des Neoliberalismus finden Eingang in die politische Debatte, wonach unter anderem die Öffnung von Märkten und die Privatisierung von Staatsbetrieben zum wirtschaftlichen Erfolg führen. Darüber hinaus seien marktwirtschaftlich handelnde Unternehmen flexibler und daher technologischen Herausforderungen besser gewachsen. Weiter soll sich die Schweiz durch die angestrebte Liberalisierung dem internationalen, insbesondere dem europäischen freien Telekommunikationsmarkt anpassen. Durch den Wettbewerb verspricht man sich schliesslich auch sinkende Preise. Der schweizerische Telekommunikationsmarkt wird am 1. Januar 1998 mit dem neuen Fernmeldegesetz (FMG) liberalisiert.

Um die Grundversorgung mit Fernmeldediensten trotz Wettbewerbs auch in Randregionen zu gewährleisten, werden bei der Liberalisierung gesetzliche Vorschriften geschaffen. Die Sicherstellung der Grundversorgung wird seit der Marktöffnung von der Swisscom AG übernommen.

Für den Bundesrat wie auch die Mehrheit der eidgenössischen Räte müssen nicht nur Teile der Post- und Telekommunikationsdienste liberalisiert, sondern daraus folgend auch die PTT-Verwaltung neu organisiert werden. Anders als die Post PTT wird die Telecom PTT per 1. Januar 1998 nicht in eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt. Stattdessen entsteht mit dem Telekommunikationsunternehmungsgesetz (TUG) eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft mit Aktienmehrheit bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die sogenannte Swisscom AG. Als Aktiengesellschaft mit unternehmerischen Freiheiten soll die Swisscom AG im neuen schweizerischen Telekommunikationsmarkt bestehen und sich im internationalen Wettbewerb behaupten. Ein nur von Teilen der politischen Linken angestossenes Referendum gegen die Liberalisierung kommt nicht zu Stande. Im Oktober 1998 geht der erfolgreiche Börsengang der Swisscom AG über die Bühne. Der Bundesrat und im Besonderen der Verwaltungsrat der Swisscom AG streben in der Folge eine Totalprivatisierung an, welche bisher aber nicht mehrheitsfähig ist.

Die Spitze der Telecom PTT macht sich für den Liberalisierungskurs stark. Sie versucht mittels verschiedener Massnahmen, unter anderem der Kampagne ‚Change Telecom‘, die Mitarbeitenden auf die anstehenden Veränderungen vorzubereiten und für den Liberalisierungsprozess zu gewinnen.

Countdown zum 1.1.1998


Elektronikerlehrlinge der Telecom PTT aus Sion entwickeln für Change Telecom eine Countdown-Uhr. Ab Mitte Dezember 1996 zählt sie an über fünfzig Standorten Tage, Stunden, Minuten und Sekunden bis zur Liberalisierung am 1. Januar 1998 ab.

18/25

Barbara Beyeler:

«Das Familiäre ist nicht mehr da, das ist der Unterschied zwischen der PTT und Swisscom.»

Liberalisierung Tele

Liberalisierung in Gelb

Die Liberalisierung der Post öffnet den Markt für private Mitbewerber. Anders als die Telekommunikation wird der Postsektor ab 1998 schrittweise liberalisiert. Daneben gibt es auch die organisatorische Veränderung von der PTT-Verwaltung zur heutigen Post. Dieser Wandel wirkt sich unmittelbar auch auf die Mitarbeitenden aus.

Mit dem Postgesetz (PG), das am 1. Januar 1998 in Kraft tritt, werden unter anderem Expresssendungen und adressierte Sendungen ab 2 kg liberalisiert. Diese sogenannten Wettbewerbsdienste stehen damit neu auch privaten Anbietern offen. Das verbleibende Monopol (reservierte Dienste), also das Recht der Post, adressierte Briefsendungen und Pakete bis zu einer bestimmten Gewichtsgrenze ohne Konkurrenz zu befördern, wird bis 2009 schrittweise auf 50 g reduziert. Die vom Bundesrat angestrebte vollständige Marktöffnung im Postbereich – die Preisgabe des Briefmonopols bis 50 g – findet 2010 bei der Totalrevision der Postgesetzgebung keine parlamentarische Mehrheit.

Die ausreichende Grundversorgung mit preiswerten Postdiensten in allen Landesgegenden als Teil des Service Public ist in der Bundesverfassung (Art. 92) verankert. Über den konkreten Umfang der Grundversorgung wird in der fortlaufenden politischen und öffentlichen Debatte gestritten. Die Volksinitiative ‚Postdienst für alle', die unter anderem ein landesweites, flächendeckendes Poststellennetz fordert, wird 2004 mit 49,8% Ja-Stimmen knapp verworfen. Der Gesetzgeber sichert die Grundversorgung indem er die Post mit deren Erbringung beauftragt. Die Post finanziert die Grundversorgung mit ihren eigenen Erlösen.

Die früheren PTT-Betriebe werden per 1998 komplett in Post und Telecom/Swisscom aufgeteilt. Da die Liberalisierung des Postsektors weniger weitreichend ist als jene der Telekommunikation, fällt auch die organisatorische ‚Entstaatlichung' weniger ausgeprägt aus. Mit dem Postorganisationsgesetz (POG) wird die Post zunächst als rechtlich selbständige Anstalt gesetzlich verankert. 2013 wird die Post in die Rechtsform einer spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft überführt und somit den anderen Infrastrukturbetrieben des Bundes – SBB und Swisscom – organisatorisch gleichgestellt. Gleichzeitig wird PostFinance in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft ausgegliedert und der Finanzmarktaufsicht unterstellt.

‚Change Post' nennt die Post PTT ihr 1996 startendes, grossangelegtes Projekt zur Bewältigung der anstehenden Liberalisierung. Mit der internen Kommunikationskampagne ‚Viva la Posta!' werden auch die Mitarbeitenden in den Veränderungsprozess eingebunden. Ziel des Projekts ist auch die Etablierung einer neuen Unternehmenskultur. Das Bundespersonalgesetz ersetzt 2001 das Beamtengesetz und bringt eine Flexibilisierung der Anstellungsverhältnisse – erstmals gibt es keine faktische Arbeitsplatzgarantie mehr. Im gleichen Jahr unterzeichnen die Sozialpartner den ersten Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Post. Mit dem neuen Post- und Postorganisationsgesetz werden die Anstellungsverhältnisse der Post dem Obligationenrecht unterstellt und damit an die privaten Mitbewerber angenähert.

Die Diskussion über die Liberalisierung ist noch nicht abgeschlossen.

VIVA LA POSTA! Extrablatt zur Nationalen Postkonferenz

Ausgabe vom 16. Juni 1996.

19/25

Hanna Weiersmüller:

«Wir wurden aus einer wohlbehüteten, mit Mauern umgebenen Lebensweise ins freie Feld entlassen.»

Liberalisierung Post

Richtfunk – Ein zuverlässiges Netz für Fernsehen und Telefon

Beim Richtfunk wird ein Signal von Punkt zu Punkt übermittelt. Diese Technik dient seit 1948 der Entlastung der Telefonkabel und ab den 1950er Jahren der Übermittlung der Fernsehsignale von den Studios zu den Sendetürmen. Wie sieht die Arbeit im Hintergrund aus, die diese Kommunikation überhaupt ermöglicht?


In der Schweiz wird das Fernsehen 1953 im Versuchsbetrieb aufgenommen und 1958 definitiv eingeführt. Für die Verbreitung des neuen Mediums müssen Sendetürme gebaut werden. Zudem braucht es ein neues Netz, das die Signale von den Fernsehstudios zu diesen Sendern leitet. Kabel sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht dafür geeignet und so übernimmt der Richtfunk diese Aufgabe. Im Gegensatz zum rundherum ausgestrahlten Rundfunk dient der Richtfunk der Übermittlung von Signalen auf geraden Strecken. Dabei kommen Parabolantennen zum Einsatz, die umgangssprachlich oft als ‚Schüsseln‘ bezeichnet werden.

Ab den 1960er Jahren baut die PTT das Netz kontinuierlich aus, um auch abgelegene Regionen zu erreichen. Die Schweiz ist ein internationaler Knotenpunkt: Im 1966 eröffneten Richtfunkzentrum Albis-Felsenegg (ZH) kreuzen sich die Nord-Süd- und die West-Ost-Linie des europäischen Fernsehnetzes. Bereits 1954 hatte die PTT Richtstrahlverbindungen mit Deutschland und Italien aufgebaut, um die neu ins Leben gerufene Eurovision übertragen zu können. Der Bau der Verbindung nach Italien über das Jungfraujoch ist eine Pionierleistung, denn Satellitenfernsehen gibt es zu dieser Zeit noch nicht.

In den wichtigsten Richtfunk-Stationen ist ein Team aus Fernmeldeassistentinnen und Technikern ständig darum besorgt, die Schaltungen herzustellen und die Übertragungen zu überwachen. Weiteres Personal stellt mit mobilen Zwischenstationen Verbindungen für besondere Anlässe und Live-Reportagen her. Ausserdem wird die Technik weiterentwickelt, um mehr Programme und Telefongespräche oder neue Dienste wie den Teletext übertragen zu können.

Im Telefonnetz dient der Richtfunk vor allem der Übertragungssicherheit, als Rückgrat für das Kupferdraht-Netz. Mit dem Einzug der Glasfaserkabel seit den 1980er Jahren verliert der Richtfunk in den 1990er Jahren an Bedeutung. Er ist jedoch in verschiedenen Bereichen nach wie vor wichtig, etwa für die Mobil- und Festnetztelefonie in Bergregionen oder als zuverlässige Funkverbindung in Notfällen.

Kontrollraum der Station Albis Felsenegg

Die Station diente als nationales, technisches Koordinationszentrum des Fernsehens sowie als Schaltzentrum Süd der Eurovision. 1966

21/25

Max Bürli:

«Unsere Aufgabe war es, den Fehler zu beheben, bevor er auftrat.»

Richtfunk

Vorschriften – Bei der PTT ist alles genau geregelt

Die PTT-Vorschriften sind Verwaltungsrichtlinien, die eine einheitliche Ausführung aller Arbeiten und Pflichten gewährleisten sollen. Zudem gibt es Vorgaben an die Öffentlichkeit, die im PTT-Amtsblatt publiziert werden.

Der Bundesbetrieb PTT setzt sich aus zwei Bereichen zusammen: dem Postbereich (dafür steht das ‚P‘ im Namen) und dem Telekommunikationsbereich (‚TT‘ für Telefon und Telegraf). Für beide Bereiche gibt es diverse Arten von Vorschriften. Diese werden in deutscher, französischer und italienischer Sprache gedruckt und liegen in den PTT-Büros auf. Die Zahl der Vorschriften wächst mit der zunehmenden Standardisierung der Aufgaben und Arbeitsschritte. Damit einher geht eine klar geregelte hierarchische Verwaltungsstruktur. Ziel aller Vorschriften ist es, sicherzustellen, dass die PTT in der ganzen Schweiz gleich auftritt – von Genf bis St. Gallen, von Basel bis Chiasso. Überall sollen die Arbeitsabläufe mit gleichem Qualitätsanspruch funktionieren.

Die sogenannte Sammlung der Dienstvorschriften besteht aus drei Gruppen: Den A-, B- und C-Vorschriften. Die einzelnen Vorschriften sind mit einer Zahl gekennzeichnet.

In den A, Verkehrsvorschriften ist das Verhältnis der PTT zur Öffentlichkeit geregelt. Die A 1, Postordnung ist das Standardwerk für den Postbetrieb. Darin sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend den Postverkehr zusammengestellt. Dazu gehören Angaben zum Postregal, das regelt, welche Aufgaben die Post zu erfüllen hat. Sie umfasst zudem Vorschriften zur Wahrung des Postgeheimnisses. Im Bereich PTT Telecom ist die A 100, Vorschriften über den Fernmeldedienst massgebend, in der das Fernmeldegesetz festgehalten ist.

Die B, Verwaltungs- und Betriebsvorschriften regeln die Verwaltungsorganisation der PTT und das genaue Vorgehen bei der Arbeit im Betrieb. Die wichtigste Betriebsvorschrift für den Postbereich ist die B 21, Betriebsvorschriften Post. Sie ist die Arbeitsgrundlage eines jeden Pöstlers und in jedem Büro zu finden. Auch im Bereich PTT Telecom gibt es genaue Vorschriften, beispielsweise für die Arbeit der Telefonistinnen oder für den Bau von Telefonleitungen.

In den C, Personalvorschriften sind die Rechte und Pflichten des PTT-Personals festgehalten.

Vorschriften zur Positionierung des Poststempels bei verschiedenen Anordnungen von Briefmarken. B 21, Betriebsvorschriften Post, 1987

Auch die Stempelung ist geregelt.

Neben der oben beschriebenen Sammlung an Vorschriften hat die PTT eine weitere Vorschriftenart: die Dienstlichen Mitteilungen. Diese enthalten jeweils aktuelle Informationen für das Personal. Darunter fallen zum Beispiel Bekanntmachungen zu neuen Dienstkleidern, zu den Ferienhäusern der PTT oder neue Vorgaben von der SUVA- und der Arbeitslosenversicherung.

Schliesslich gibt es auch PTT-Vorschriften, die die Öffentlichkeit direkt angehen. Diese werden im Post- und Telegrafenamtsblatt beziehungsweise dem PTT-Amtsblatt veröffentlicht. Das sind zum Beispiel Änderungen im Bestand der Poststellen, Stellenausschreibungen oder Neuerungen im internationalen Telefonverkehr.

Kalter Krieg um das Verpackungsmaterial

Die PTT erklärt im PTT-Amtsblatt vom März 1965, dass bei Brief- und Paket-Sendungen in die DDR keine Zeitungen als Verpackungsmaterial verwendet werden dürfen. In der DDR würden solche Sendungen – aus Angst vor westlicher Propaganda – ausnahmslos beschlagnahmt.

22/25

Dominic Fleury:

«Mit 10:1 wurde ganz klar bestimmt: Die Vorschriften sind einzuhalten!»

Vorschriften

Das Postauto: vom Postwagen bis zu den Tarifverbunden

Jeder kennt das Postauto. Seine gelbe Farbe, sein Dreiklanghorn. Aber wer kennt schon seine Geschichte? Eine kurze Fahrt durch die Vergangenheit, vom anfänglichen Scheitern 1909 über das Comeback nach dem Ersten Weltkrieg bis hin zur Liberalisierung 1997.

Die Beförderung von Reisenden in der Schweiz ist eine der Aufgaben, die der Regiebetrieb der Post 1849 erhält. Die Fahrten werden anfangs mit der Pferdepost durchgeführt. Diese ergänzt das Netzwerk der schweizerischen Eisenbahnen, das zur gleichen Zeit entsteht. Zur Jahrhundertwende erreicht die Pferdepost ihre Kapazitätsgrenze: Trotz steigender Nachfrage decken die Billeteinnahmen die Kosten nicht. Das führt zu immer grösseren Verlusten. Die PTT beginnt, mit Automobilen zu experimentieren, 1906 betreibt sie erstmals eine Strecke mit Postautoomnibussen. Doch der Widerstand bei der Bevölkerung ist gross. Pannen häufen sich, die Sicherheit ist gering und die Kosten für die Postautoregie sind enorm hoch. Drei Jahre später stoppt die Generaldirektion der PTT den Postautoverkehr, vorerst bis 1918.

Eines der ersten Postautos, 1907

Das Bild zeigt den Wagen 2656 von Saurer bei der alten Kappelenbrücke in Bern Eymatt. Er verkehrte auf der ersten Postautostrecke Bern-Detligen.

Nach dem Ersten Weltkrieg kehrt das Auto zurück, diesmal definitiv, auch dank einer Spende der Schweizer Armee, die zahlreiche ausgediente Fahrzeuge zur Verfügung stellt. In der Zwischenkriegszeit nehmen diePostautofahrten rasant zu: Der Regiebetrieb kann die Nachfrage nicht mehr alleine befriedigen. Die PTT beauftragt deshalb private Transportunternehmen (fortan Postautohalter genannt) und lässt sie unter ihrem Namen fahren. Die Inspektoren der Strassenverkehrsämter der PTT Generaldirektion sind regelmässig zu Besuch in den verschiedenen Regionen. Sie sollen den Betrieb der „gelben Klasse“ regeln und vereinheitlichen. Das Fahrpersonal ist verantwortlich für seine Wagen und Passagiere, den täglichen technischen Service, die vorbildliche Strassensicherheit und die Einhaltung des Fahrplans. Das Postautopersonal erlebt im Laufe der Jahrzehnte grosse technische und soziale Entwicklungen. Einschneidend ist beispielsweise die Einführung des Taktfahrplans durch die SBB sowie später die Gründung der Tarifverbunde. Jährlich wächst die Summe der gefahrenen Kilometer, die Postautos sind allerdings bald nicht mehr allein auf den Strassen unterwegs. So kämpfen die gelben Busse seit der Liberalisierung der Märkte 1997 und dem Ende des Bundesbetriebs PTT gegen eine immer stärkere Konkurrenz im öffentlichen Verkehr.

Der Pendlerverkehr sorgt seit den 1950er Jahren für zunehmende Regelmässigkeit und Verdichtung der Fahrten. Wohnen auf dem Land und arbeiten in der Stadt wird zur Normalität. Das Postauto unterstützt diese Lebensweise, es verbindet Zentrum und Peripherie. Schüler fahren mit dem Postauto zur Schule, Eltern fahren damit in die Stadt, um einzukaufen und zu arbeiten. Am Wochenende ist das Postauto beliebt für Ausflüge in die Natur. Service Public und Verkehrsmittel - das Postauto ist so etwas wie eine soziale Institution. Seit über einem Jahrhundert ist es Teil unseres Alltags, aber auch Symbol und imaginärer Ort für Tausende von Schweizerinnen und Schweizern.

Ein Postauto im Val d’Anniviers, Wallis, Werbepostkarte, 1986

Beim Erklingen des Dreiklanghorns – tü-ta-too – mussten entgegenkommende Fahrzeuge noch in den 1950er Jahren aus Sicherheitsgründen die Fahrspur wechseln, damit das Postauto bergseits an ihnen vorbeifahren konnte. Mit dem Ausbau der Strassen und der technischen Entwicklung der Postautos wurde diese Regelung obsolet.

23/25

Marianne Wenger:

«Ich will einfach gelb fahren.»

Postauto Geschichte

Die Telefonzentrale der Bundesverwaltung im Bundeshaus

Die Zentrale im Bundeshaus, im Herzen der politischen Schweiz, ist keine alltägliche Telefonzentrale. Sie ist einer der unauffälligsten und doch zentralsten Knotenpunkte im Bundeshaus.

Mit der Einführung der Telefonie in Bern (1881) erhält auch das Bundeshaus, damals noch Bundes-Rathaus, Anschluss ans Telefonnetz. Bereits 1923 wird die erste automatische Haustelefonanlage mit ungefähr 600 Anschlüssen im Bundeshaus aufgestellt. Der Bedarf der Bundesverwaltung an Telefonanschlüssen wächst rasant (1940: ca. 2‘100; 1954: ca. 3‘500). Eine grössere Kapazitätserhöhung erfolgt 1974: Mit einer maximalen Kapazität von 8`000 Apparaten ist die Haustelefonanlage im Bundeshaus bei der Einweihung schweizweit die grösste ihrer Art. Die Bundesverwaltung unterhält auf dem Platz Bern nicht nur eigene Telefonzentralen – die bedeutendste ist jene im Bundeshaus – sondern auch ein eigenes Kabelnetz. Auch wenn bei Inbetriebnahme der Anlage 1974 von einer Laufzeit bis ins nächste Jahrtausend ausgegangen wird, ist die Hauszentrale im Bundeshaus bereits in den frühen 1990er Jahren technisch veraltet und überlastet. Bundesrat und Parlament bringen daher 1991 die Neukonzeption der elektronischen Kommunikation der Bundesverwaltung (KOMBV1) auf den Weg. Im Herbst 1995 nehmen schliesslich neue Telefonzentralen der Bundesverwaltung den Dienst auf.

Telefonzentrale der Bundesverwaltung

„Eine moderne Anlage und ein gediegener Arbeitsraum werden sicher die Aufgabe der Telefonistinnen erleichtern.“ Bildkommentar Technische Mitteilungen. 1974

Die Telefoninfrastruktur des Bundeshauses ist unmittelbar auch in politische Skandale verwickelt. So bringt beispielsweise ein Telefonanruf die erste Bundesrätin der Schweiz, Elisabeth Kopp, zu Fall. Eine Mitarbeiterin informiert die Bundesrätin in der allmorgendlichen Besprechung vom 27. Oktober 1988, dass gegen ein Unternehmen, in welchem ihr Gatte Hans W. Kopp das Vizepräsidium des Verwaltungsrats bekleidet, Geldwäschereivorwürfe im Raum ständen. Im Anschluss greift Elisabeth Kopp zum Telefonapparat, um ihren Mann um die Niederlegung des entsprechenden Verwaltungsratsmandats zu bitten. Die mögliche Verstrickung des Gatten in Geldwäscherei löst ein grosses Medienecho aus, der brisante Telefonanruf aus dem bundesrätlichen Büro bleibt der Öffentlichkeit aber vorerst verborgen. Erneute Dynamik erfährt die Geschichte, als eine Tageszeitung am 9. Dezember 1988 öffentlich macht, dass interne Informationen aus dem Departement von Bundesrätin Kopp an deren Mann geflossen seien. Gleichentags legt Elisabeth Kopp in einer Presseerklärung offen, dass sie ihren Mann persönlich informiert habe. Die telefonische Weitergabe der Information an den Ehegatten wird Elisabeth Kopp in der Presse als Amtsgeheimnisverletzung ausgelegt; sie bestreitet – auch in der Folge – den departementsinternen Ursprung der Information gekannt zu haben. Auf Grund des öffentlichen und medialen Drucks und der fehlenden Rückendeckung durch den Gesamtbundesrat und ihre Partei, die FDP, kündigt Elisabeth Kopp am 12. Dezember 1988 schliesslich ihren Rücktritt an.

Der technische Dienstchef der Telefonzentrale im Bundeshaus, Herbert Stucki, bekommt diesen und andere Skandale hautnah mit.

25/25

Herbert Stucki:

«Damals ging alles um Diskretion.»

Bundeshaus